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Wiederentdeckung hochgeheimer Ortsverzeichnisse

Bern und Umgebung auf der Karte des Thomas Schöpf (Burgerbibliothek Bern, Mül S 4 (2), Doppelblatt 5)

21.10.2020

Die grossformatige Karte des Berner Stadtarztes Thomas Schöpf dürfte allen historisch-geographisch Interessierten ein Begriff sein. Bislang kaum bekannt waren jedoch die Begleittexte zur Karte. Diese nie gedruckten Ortsverzeichnisse wurden als hochgeheime Informationsträger angesehen, welche die Machtelite des Staats Bern im Vorfeld des Dreissigjährigen Krieges unter Verschluss zu halten suchte. Erst nach 1650 wurden diese Informationen für die Öffentlichkeit freigegeben.

TEXT: FLORIAN MITTENHUBER; BILD: BURGERBIBLIOTHEK

«Ein grosser Staat braucht eine grosse Karte»: Dieser Gedanke könnte den aus Breisach gebürtigen, ab 1565 als Berner Stadtarzt tätigen Thomas Schöpf (1520 –1577) zu einem Projekt bewogen haben, aus dem die bedeutendste frühneuzeitliche Darstellung des Berner Staatsgebietes hervorgehen sollte. Natürlich konnte Schöpf sein immenses Vorhaben nicht allein umsetzen. Er hatte zweifellos eine Menge von Helfern: von den Gemeindepfarrern, die ihm Informationen über die örtlichen Gegebenheiten lieferten, über Schreiber, Kartenmaler und Kupferstecher, bis hin zu Leuten, welche Verlag und Druck der Karte besorgten. Das Resultat konnte sich sehen lassen und war Berns Grösse angemessen: Die fertige Karte umfasst neun Doppelblätter, die sich zu einer monumentalen Karte von 137 × 197 cm zusammensetzen lassen. Auf der südorientierten Karte ist das gesamte Territorium des alten Berns, also inklusive der Waadt und des Aargaus, dargestellt. Es reicht von der Grimsel im Osten bis nach Genf im Westen sowie von Saint-Maurice im Süden bis zur Mündung der Aare in den Rhein bei Koblenz im Norden. Die auf den nicht-bernischen Gebieten verteilten Kartuschen erläutern den Gebrauch der Karte, der dekorative Rahmen enthält die Wappen der Ämter. Die Karte wurde 1578 in Strassburg bei Bernhard Jobin gedruckt, Druck und Vertrieb wurden allerdings rasch vom bernischen Rat wieder gestoppt. Eine zweite Auflage erschien erst 1672 bei Albrecht Meyer in Bern.

Neben der gedruckten Karte gibt es einen handschriftlichen Text, der zwar bekannt, bislang jedoch kaum erforscht war. Diese zweibändige Chorographie enthält ein ausführliches Vorwort von Thomas Schöpf sowie Beschreibungen der Stadt Bern und der deutschsprachigen Ämter, der zweite Band behandelt die welschen Ämter sowie die gemeinen Herrschaften mit Freiburg. Innerhalb der Ämter werden zunächst Amtssitz und Pfarrgemeinden genannt, danach folgen die einzelnen Orte, mit Wegstrecken zu den nächstgelegenen Pfarreien respektive zum Amtssitz sowie lokale Besonderheiten. Jede Örtlichkeit ist durch scheinbar genau berechnete Koordinaten und Distanzangaben definiert, die jedoch nur auf der Karte ausgemessen wurden (Luftlinien!). Im Rahmen der Vorbereitungen zum kürzlich erschienenen Themenheft des Verlags «Cartographica Helvetica» (siehe URL unten) stellte sich heraus, dass neben den acht erhaltenen Chorographien (das Original befindet sich im Staatsarchiv Bern, fünf Abschriften in der Burgerbibliothek Bern) noch eine Kurzfassung existiert, die im Wesentlichen nur Ortsnamen enthält.

Allein die Burgerbibliothek Bern besitzt ein gutes Dutzend dieser sogenannten Topographien. Mittels eingehender Analyse von Materialität und Provenienz konnten die einzelnen Exemplare zeitlich exakt eingeordnet werden. Dies führte zu einer unerwarteten Entdeckung: In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die Überlieferung auf wenige Exemplare beschränkt, die sich allesamt Personen aus dem innersten Machtzirkel Berns zuordnen lassen. Daraus ergibt sich eine politische Dimension der Texte (und der zensierten Karte). Es handelt sich nämlich um geheime Informationsträger, welche die Machtelite des Staats Bern im Vorfeld des Dreissigjährigen Krieges unter Verschluss zu halten suchte. Erst um 1650, als die Brisanz der Informationen nicht mehr gegeben war, setzte eine breitere Überlieferung ein. Auffallend viele dieser späteren Exemplare enthalten Informationen und Nachträge zu den einzelnen Ämtern: Sie wurden in den Amtsstuben also fleissig gebraucht.

Die Schöpfkarte in der «Cartographica Helvetica»

Zur Schöpfkarte des bernischen Staatsgebiets von 1578 siehe kartengeschichte.ch/ch/d-themen.html#60

abgelegt unter: Bildung, Burgerbibliothek, Kultur

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