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Bergzauber und Wurzelspuk - Ernst Kreidolf (1863–1956) und die Alpen

16.05.2017

Im Jahr 1898 erscheint in München ein schmaler, querformatiger Bildband mit dem Titel «Blumen-Märchen». Bild und Text stammen beide aus der Hand von Ernst Kreidolf. Mit diesem Werk, das er nur dank fürstlicher Unterstützung herausgeben kann, begründet der in Bern geborene Kreidolf seinen Ruhm als Bilderbuchkünstler und Erneuerer der Kinderliteratur.

TEXT: ANNELIES HÜSSY; BILD: ARCHIV BURGERBIBLIOTHEK

Ernst Kreidolf kommt am 9. Februar 1863 in Bern zur Welt. Seine erfolgreiche Laufbahn als Malerpoet ist ihm keineswegs in die Wiege gelegt worden. Vielmehr muss er sich schon in jungen Jahren beweisen und sich gegen elterliche und grosselterliche Vorstellungen bezüglich seiner beruflichen Laufbahn durchsetzen: Der Vater ist Kaufmann und betreibt zuerst in Bern, dann in Konstanz, mehr schlecht als recht ein Schreibwarengeschäft und möchte den Sohn an den Betrieb binden. Der Grossvater dagegen sieht Kreidolf als Landwirt oder als Schmied. Aber Kreidolf tritt zunächst in Konstanz eine Lithografenlehre an und arbeitet danach einige Zeit in diesem Metier. Parallel dazu nimmt er Mal- und Zeichenunterricht. Schliesslich kann er mit Unterstützung seines Arbeitgebers im Jahr 1883 nach München zum Kunststudium fahren. Ernst Kreidolf wird rund 20 Jahre in Bayern verbringen. Erfolgreich absolviert er zunächst die Kunstgewerbeschule in München, um sich danach an der Akademie der bildenden Künste einzuschreiben. Sein grosses Talent wird rasch erkannt und gefördert. Doch die Kosten für Studium und Unterkunft muss er sich selber verdienen. Und so kommt es, dass er an Erschöpfung leidet und nach einem Zusammenbruch in den bayerischen Bergen Erholung suchen muss. Er zieht nach Partenkirchen, das in den 1890er-Jahren ein verschlafener, abgelegener Ort ist. Dort erholt er sich in der Natur und bei neu gewonnenen Freunden und beginnt, sich für die Pflanzenwelt zu interessieren. Nebenbei gibt er der Fürstin Marie Anna von Schaumburg-Lippe (1864–1918), welche im benachbarten Kainzenbad in der Sommerfrische weilt, Kunstunterricht. Die Fürstin ist von ihrem Lehrer begeistert und lädt ihn ein, ihr fortan jedes Jahr in ihrem Schloss zu Bückeburg Mal- und Zeichenstunden zu geben, was Ernst Kreidolf während mehreren Jahren auch tut. Aber glücklich ist der junge Maler in der höfischen Umgebung nicht, er strebt nach einer freien Künstlerexistenz. Inzwischen hat er seine Blumenstudien weitergetrieben und zu den Pflanzenbildern Texte geschrieben, märchenhafte Szenen, die im Reich der Blumen spielen, hat er sich ausgedacht. Für eine Publikation dieses Werkes fehlt jedoch das Geld, und ein Verlag, der das Risiko eingehen will, eine völlig neue Bilder- und Märchenwelt eines bislang unbekannten Künstlers herauszugeben, findet sich ebenso wenig. Ernst Kreidolf wendet sich an seine fürstlichen Gönner und erbittet ein Darlehen, das ihm grossherzig gewährt wird. Er lithografiert seine Blumenbilder selber und bringt das Werk 1898 unter dem unprätentiösen Titel «Blumen-Märchen» im Selbstverlag heraus. Es wird sein erster grosser Erfolg und begründet den lebenslangen Ruhm als Malerpoet und Erneuerer der Kinder- und Jugendliteratur. Bald klopfen renommierte Verlage beim Künstler an.

Während des Ersten Weltkriegs weilt Kreidolf in der Schweiz und besucht Freunde in Davos und Bern. An eine dauernde Rückkehr nach Deutschland ist nicht mehr zu denken, und so wählt er erneut Bern zu seiner Heimat, wo er ab 1917 bis zu seinem Tod am 12. August 1956 lebt. Zu seinem grossen Freundeskreis zählen etwa der Bundesratssohn Friedrich Emil Welti und dessen Frau Helene Welti–Kammerer, die Maler Wilhelm Balmer und Albert Welti (beide Schöpfer des Landsgemeindebildes im Ständeratssaal), Cuno Amiet und Hans Beat Wieland, die Schriftsteller Walther Siegfried und Richard Dehmel, Leopold Weber und Hermann Hesse und viele andere mehr.

Der Nachlass von Ernst Kreidolf im Umfang von rund 17 Laufmetern befindet sich in der Burgerbibliothek Bern. Gemeinsam mit der Stiftung Schloss Spiez und dem Verein Ernst Kreidolf werden diesen Sommer unter dem Titel «Bergzauber und Wurzelspuk» verschiedene Anlässe zum Malerpoeten stattfinden. Das Schloss Spiez zeigt in einer Wechselausstellung vom 9. Juni bis 8. Oktober 2017 botanische Zeichnungen sowie die Originale zu zwei berühmten Bilderbüchern von Ernst Kreidolf, nämlich zu den «Alpenblumenmärchen» und zum «Wintermärchen», und lädt anhand dieser beliebten Motive zu einer Wiederentdeckung des Künstlers ein. Weitere Dokumente aus dem Nachlass in der Burgerbibliothek runden die Ausstellung ab. Die Burgerbibliothek ihrerseits widmet Ernst Kreidolf ab dem 9. Juni 2017 eine kleine biografische Schau in ihrem neuen Ausstellungsraum, der «Salle Bongars», und gibt in ihrer Buchreihe «Passepartout» eine Ernst Kreidolf gewidmete Begleitpublikation heraus.

Buchtipp

Bild Legende:

Passepartout. Bergzauber und Wurzelspuk. Ernst Kreidolf (1863–1956) und die Alpen, herausgegeben von der Burgerbibliothek Bern, Bern 2017. Der Band ist im Buchhandel oder beim Stämpfli Verlag, Bern, zum Preis von Fr. 39.— erhältlich.

Bergzauber und Wurzelspuk – Ernst Kreidolf (1863–1956) und die Alpen

Sonderausstellung im Schloss Spiez vom 9. Juni – 8. Oktober 2017

www.schloss-spiez.ch

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