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Ganzheitliche Betreuung als Schlüssel zum Erfolg

24.10.2022

Wenn betagte Menschen heute in eine Altersinstitution eintreten, sind sie durchschnittlich älter und in einem kränkeren Zustand als früher. Diese Tendenz wird auch im Burgerspittel beobachtet. Zudem haben die festgestellten psychischen Erkrankungen zugenommen. Im Burgerspittel begegnet man der neuen Situation mit einem ganzheitlichen, multidisziplinären Ansatz.

TEXT: MARTIN GRASL; BILDER: CAROLINE MARTI

Um den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein, wird das Pflegepersonal im Burgerspittel laufend sensibilisiert und weitergebildet. Es arbeitet dabei eng mit Heimärztin Dr. med. Nicola Berlemann sowie dem zuständigen Konsiliar- und Liaisonarzt für Alterspsychiatrie und -psychotherapie, Dr. med. Mihai Ghira, zusammen. Der angewandte multidisziplinäre Ansatz ist gerade bei der Behandlung von psychischen Krankheiten der Schlüssel zum Erfolg. Weil im Burgerspittel Medikamente nicht die fehlende Betreuung ersetzen, kommt dem Pflegepersonal besonderes Gewicht zu. Glücklicherweise ist der Burgerspittel hier gut aufgestellt, wie Nicola Berlemann, Mihai Ghira sowie Jessica Tschäppeler, Leitung Pflege und Betreuung, betonen. Nachstehend ihre Eindrücke zum multidisziplinären Ansatz, wie er im Burgerspittel angewendet wird.

Bild Legende:

Dr. med. Nicola Berlemann
Heimärztin am Burgerspittel

«Die Menschen treten heute immer später, hilfsbedürftiger und infolgedessen auch in medizinisch komplexerem Zustand in den Burgerspittel ein, nämlich dann, wenn es zu Hause gar nicht mehr geht. Alterswohnungen sind dementsprechend weniger begehrt als Wohnungen mit 24-Stunden-Pflege. Häufig erfolgen die Übertritte direkt aus dem Spital oder nach einem Rehabilitationsaufenthalt. Der Beginn ist oftmals ein ‹Ferienbett›.

Während Angehörige teils mit einem schlechten Gewissen kämpfen, die Mutter, den Vater oder den Ehemann ‹abgeschoben zu haben›, fühlen sich die Eintretenden im Burgerspittel schnell wohl. Gerade zu Beginn muss man sich nicht nur um sie kümmern, sondern auch ihre Angehörigen intensiv miteinbeziehen, damit Barrieren und Bedenken abgebaut werden. Die Anfangszeit stellt für die Pflege und mich eine Herausforderung dar. In der Regel beruhigt sich die Situation sehr schnell wieder und es entsteht ein gegenseitiges Vertrauen.

Gerade bei Erkrankungen im Bereich einer Demenz lautet unser Motto, möglichst wenig Medikamente einzusetzen und dafür den Bewohnenden mehr Zuwendung, Unterstützung hinsichtlich der verbliebenen Ressourcen sowie liebevolle, engagierte Betreuung zukommen zu lassen. Dies erfordert vom Pflegepersonal Flexibilität und individuelle Anpassungen in der Betreuung betreffend Tagesrhythmus, Essen, Umgang und Aktivitäten. Dank unseres hohen Personalschlüssels ist dies möglich. Dies zeichnet den Burgerspittel aus.

Ein guter Teamgeist unter dem Pflegepersonal ist auch für die Bewohnenden sehr wichtig. Erstaunlicherweise spüren gerade Menschen mit kognitiven Einbussen Missstimmungen sehr schnell. Es ist wichtig, dass die Pflege genügend Zeit findet, auch auf scheinbar kleine und persönliche Bedürfnisse einzugehen, beispielsweise, dass eine Bluse richtig zugeknöpft ist. Als Dank bekommen die Pflegenden dafür ein Lächeln zurück, was ihnen wiederum guttut.

Ich bewege mich als Ärztin immer auf Augenhöhe und mit Respekt gegenüber den Bewohnenden, ihren Angehörigen und besonders gegenüber dem Pflegepersonal. Man kann nur auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Ich schätze die Pflege im Burgerspittel ausserordentlich für ihre Empathie, ihr Engagement und ihre Teamfähigkeit. Wir müssen alles dafür tun, dass es auch so bleibt.

Bei der Erstvisite darf bei mir eine Frage nicht fehlen, nämlich ‹Wie haben Sie gewohnt und was haben Sie gemacht, was haben Sie gearbeitet und haben Sie Kinder?› Dadurch erfährt man, wie die Beziehung in der Familie ist, von welcher Flughöhe jemand ungefähr kommt und wie sie auch eingebettet gewesen sind, was sehr wichtig ist.

Was ich nicht mag, sind starre administrative Raster nach Schema F: man dokumentiert sich heutzutage tot und presst die zu behandelnden Menschen in ein Raster, aber sie lassen sich nicht einfach so in eines pressen. Deshalb gehen wir hier im Burgerspittel mit gesundem Menschenverstand heran, denn wenn man alle pauschalisiert betrachtet, gehen wichtige Dinge verloren.»

Bild Legende:

Dr. med. Mihai Ghira
Konsiliar- und Liaisonarzt für Alterspsychiatrie und-psychotherapie

«Die Ziele der ganzheitlichen Behandlung und Betreuung sind Verbesserung der Symptomatik, Steigerung der Lebensqualität, Reduktion der Chronifizierung und sekundärer Komplikationen sowie Spitalaufenthalte: Denn wenn es den Patientinnen und Patienten psychisch besser geht, werden ihre somatischen Hospitalisierungen kürzer, während psychisch angeschlagene länger im Spital bleiben.

Unser Angebot richtet sich an Bewohnende mit einem neu aufgetretenen oder fortbestehenden psychischen Leiden wie Depression, Delir, dementielle Entwicklung, Angst oder Sucht und beabsichtigt eine möglichst optimale Vor-Ort-Betreuung. Der Zugang zu unserer medizinisch-psychiatrischen Beurteilung und Behandlung ist niederschwellig und erfolgt in Absprache mit bereits involvierten Versorgungspartnerinnen und -partnern.

Alle Bewohnenden haben eine Vorgeschichte. Sie haben zum Teil Einiges erlebt wie Krieg oder sind als Kinder verdingt worden. Im Einzelfall kann ein notfallmässiger Heimeintritt einer Retraumatisierung gleichkommen. Ich habe erlebt, dass sich Menschen erst nach dem Heimeintritt ernsthaft mit dem eigenen Schicksal auseinandersetzen: Was zuvor 50 bis 70 Jahre lang mehr oder weniger erfolgreich verdrängt wurde, kommt auf einmal hoch. Darum ist die Biografie-Arbeit sehr wichtig. Das Vertrauen spielt hier eine zentrale Rolle. Wenn wir die Geschichte der Menschen kennen und verstehen, können wir sie besser unterstützen. Wir setzen dabei so viel Medikamente wie nötig und so wenig als möglich ein. Die Angehörigen werden betreffend Aufklärung und Entwicklung individueller Problemlösestrategien partnerschaftlich betrachtet und in den Betreuungsprozess miteinbezogen.

Der Burgerspittel ist durch die Ressourcen und Fähigkeiten der Pflegenden diesen Anforderungen gewachsen. Der Schlüssel zum Erfolg ist die effiziente Kommunikation auf Augenhöhe aller Involvierten.»

Bild Legende:

Jessica Tschäppeler
Leitung Pflege und Betreuung

«Die Schulung der Pflegenden in Bezug auf psychische Krankheitsbilder ist sehr wichtig. Denn wer nachvollziehen kann, was der Auslöser ist, warum eine Person auf eine bestimmte Weise reagiert, kann mit ihr besser umgehen. Dazu finden im Burgerspittel regelmässig psychiatrisch-psychologische Fallbesprechungen unter Supervision statt, an denen herausfordernde Situationen betrachtet werden.

Auch wenn unsere Ressourcen und Zeit im Betrieb knapp bemessen sind, lohnen sich die zusätzlichen Investitionen in die Schulung der Pflegenden. Durch den resultierenden Wissensvorsprung sparen wir am Ende viel Kraft und Zeit.

Ich erinnere mich an eine Bewohnerin, die immer um 16 Uhr wieder in ihr früheres Zuhause zurückkehren wollte, was zu schwierigen Situationen führte. Schliesslich realisierten wir, dass wenn sich das Personal jeweils in ihrem Beisein untereinander verabschiedete, in ihr der Wunsch ausgelöst wurde, ebenfalls nachhause zu gehen.

Die gute und enge Zusammenarbeit mit unserer Heimärztin Nicola Berlemann ist für uns Pflegende sehr wichtig, weil wir dadurch unseren Bewohnenden die bestmögliche pflegerische und medizinische Betreuung gewährleisten können.

In unserem Beurteilungssystem, das wir für die Abrechnung mit den Krankenversicherern benötigen, wird oftmals der effektiv-realistische Betreuungsaufwand bei Bewohnenden mit psychischen Erkrankungen zu wenig ersichtlich. Sie können sich zwar oft noch selbständig pflegen, benötigen jedoch viel Zeit für Gespräche und Betreuung im Alltag.»

burgerspittel.ch

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