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Man kommt auf sich selbst zurück

19.04.2021

Die Lebensmitte ist eine krisenanfällige Zeit, aber kein Grund zur Panik, sagt Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello. Ein Gespräch über das Leben an der Schaltstelle zwischen Jung und Alt.

TEXT: MIKE FÄSSLER; ILLUSTRATION: KORNEL STADLER

MEDAILLON: Das Generationen-Barometer 2020 des Berner Generationenhauses zeigt, dass die Lebenszufriedenheit bei den 45- bis 54-Jährigen am tiefsten ist. Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
PASQUALINA PERRIG-CHIELLO: Das mittlere Alter ist die Zeit des Umbruchs. Das manifestiert sich körperlich: Es ist kein Zufall, dass man von den Wechseljahren spricht. Man sieht im Spiegel auf einmal einen anderen Körper. Dazu kommt oft eine Veränderung der Familiensituation: Man befindet sich in der Sandwich-Position zwischen Kindern und älter werdenden Eltern. Beide haben Ansprüche. Zusätzlich stellt man vielleicht fest, dass man auf dem Arbeits- und Partnermarkt nicht mehr die gleichen Karten hat. Kurz: Es ist höchste Zeit, Bilanz zu ziehen.

Weshalb ist das wichtig?
Viele Menschen machen Karriere, gründen eine Familie und fragen sich in der Mitte des Lebens auf einmal: Wo bleibe ich mit meinen eigenen Bedürfnissen? Das ist die grosse Chance, eigene Standards zu entwickeln. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist diese Bilanzierung existenziell: Sie ist die Grundlage, um gut gewappnet in die zweite Lebenshälfte zu steigen.

Was empfehlen Sie Menschen, die in der Krise stecken?
Ich empfehle ihnen, ein Time-out zu nehmen. Man muss dafür nicht monatelang unter einer Palme liegen. Aber man begibt sich am besten an einen Ort, an dem man Zeit zum Nachdenken hat und wieder zu sich selbst finden kann. Wenn man Sinnkrisen in der Mitte des Lebens bagatellisiert, wird sich das früher oder später rächen: Die Sinnfrage wird sich dann umso heftiger stellen.

Erleben Männer und Frauen diese Krisen unterschiedlich?
Frauen gehen in der Regel immer noch grössere familiale Kompromisse ein als Männer. Dafür haben sie eine breitere Palette an Bewältigungsstrategien: Sie haben zumeist ein soziales Netzwerk und sprechen über Probleme. Das hilft oft, Krisen zu entschärfen. Dann kommt es auch nicht zu Überreaktionen, die man eher Männern nachsagt: Dass sie ihren Job an den Nagel hängen, Hals über Kopf die Familie verlassen und ins Kloster oder auf die einsame Insel flüchten.

Wer hat die besten Karten, die krisenanfälligen Jahre in der Lebensmitte unbeschadet zu überstehen?
Emotional stabile Menschen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen und auf sich selbst hören. Krisen sind immer ein Zeichen, dass etwas verändert werden muss – aber noch lange kein Grund zur Panik. Jede Lebensphase bringt neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen. Persönliches Wachstum ist bis ans Lebensende möglich. Wenn man sich dessen bewusst ist, verlieren Veränderungen ihren Schrecken.

Dieses Gespräch ist ein Auszug aus der Publikation zur Ausstellung «forever young» im Berner Generationenhaus. Sie erscheint in Form eines 128 Seiten umfassenden Themenmagazins und vereint Expertengespräche, Essays, Bildstrecken und Infografiken. www.begh.ch/magazin

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