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Bedeutendes Postkartenarchiv online zugänglich

Diszipliniertes Anstehen am Skilift in Orvin, 1960er-Jahre, FI Franco-Suisse 3473.1

09.11.2014

Seit kurzem ist das Fotoarchiv des Ansichtskartenverlags Franco-Suisse im Internet verfügbar. Mehr als 7000 Einzelbilder laden zu einem Spaziergang durch die ganze Schweiz und speziell durch Stadt und Kanton Bern ein. Die Ansichten stammen aus dem Zeitraum 1920-1970 und zeigen eine Schweiz, wie sie in vielerlei Hinsicht vergangen ist.

 

Immer mehr erkennen Forschende und die breite Öffentlichkeit die Bedeutung von Ansichtskarten für die Lokal- und Tourismusgeschichte. Der Bestand von Franco-Suisse eröffnet nun gleich in zweierlei Hinsicht spannende Perspektiven. Zum einen finden die lokalhistorisch Interessierten viele, zum Teil seltene Ansichten von Orten und Gegenden, wie sie sich vor Jahrzehnten präsentiert haben. Zum andern lassen sich die Negative auch im Hinblick auf wirtschaftsgeschichtliche und fotohistorische Aspekte auswerten.

Der Verlag Franco-Suisse wurde 1905 in Bern gegründet. Der Sohn des Gründers änderte den Namen später in Alfred Boss & Co, heute „ABC Kunst- und Glückwunschkarten"-Verlag in Schönbühl. Die noch vorhandenen Negative aus der Franco-Suisse-Zeit wurden 1978 ausgeschieden und gelangten auf Umwegen in die Burgerbibliothek Bern.

Viele Fotos zeigen die üblichen touristischen Sujets, die wir auch heute noch überall auf Postkarten finden. Interessant sind aber die Ansichten vieler kleiner Dörfer im Jura und in andern Randregionen, von denen es nur sehr wenige öffentlich zugängliche historische Aufnahmen gibt. Wo sich heute die „Agglo" ausdehnt, sehen wir noch intakte Landschaften, es hat wenig Verkehr, und im Winter gibt es noch bis in tiefere Lagen Schnee. Sehr schön zeigen dies die Ansichten von Langenbruck oder von Orvin mit seinem Skilift und dem grossen Sporthotel. Überhaupt lässt sich anhand dieses Bestandes ein Stück Tourismusgeschichte schreiben. Dabei geht es nicht nur um die Abbildungen selbst, sondern auch um die Bedeutung von Orten, die wir heute fast vergessen haben. So hat es 33 Ansichten von Grindelwald und 17 von Interlaken, aber 195 von Heiligenschwendi und immerhin 32 von Langenbruck. Das sagt natürlich nicht nur etwas über die Geschäftsmöglichkeiten aus, welche ein Ansichtskartenverlag dort fand, sondern auch darüber, wo die Konkurrenz besonders hart war. Glücklicherweise ist noch eine grössere Anzahl originaler Negativtaschen samt Beschriftung erhalten. Daraus wird unter anderem ersichtlich, dass die Auflagenhöhe meist 300, 500 oder 1000 Stück betrug, oder dass die Initiative für eine Karte oft nicht von Franco-Suisse ausging, sondern von Geschäften, die an deren Verkauf interessiert waren.

Die Negative von Franco-Suisse sind aber noch aus einem ganz andern Grund bedeutsam. Sie erlauben es, den weiten Weg von der Realität bis zur Ansichtskarte mitzuverfolgen. Am Anfang stand eine Aufnahme des Sujets, von der ein Dia hergestellt wurde. Auf diesem wurden alle nötigen Retouchen vorgenommen, worauf man davon wieder ein Negativ herstellte. Dieses kam anschliessend in die Druckerei, wo es entweder schwarz-weiss gedruckt wurde oder als Vorlage für einen Farbdruck diente. Farbaufnahmen wurden praktisch nicht verwendet, auch wenn das Endprodukt in den schönsten Farben leuchtete. Die Retouchen reichten von der Entfernung von Telefonleitungen über das Einfügen von schöner Aussicht in die Fenster von Gaststuben bis hin zu groben Eingriffen wie dem Ersatz nicht passender Hintergründe durch ein Alpenpanorama.

Interessant ist, dass die gleichen Aufnahmen zum Teil nach Jahrzehnten noch für eine zweite Auflage verwendet wurden.

Insgesamt erweist sich das Bildarchiv von Franco-Suisse als Schatz, den es erst noch zu entdecken gilt. Die Voraussetzungen dazu sind nun mit der Publikation im Internet gegeben.

Burgerbibliothek Bern: www.burgerbib.ch mit Öffnungszeiten Lesesaal und Reproangebot
Online-Archivkatalog der Burgerbibliothek Bern: http://katalog.burgerbib.ch

Weitere Auskünfte erteilt: Philipp Stämpfli, 031 631 33 59 , philipp.staempfli@burgerbib.ch

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