Von der Wunderkammer zum Archiv
Titelblatt des ersten Donationenbuchs der burgerlichen Stadtbibliothek Bern von Wilhelm Stettler (1634-1693). Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.XII.1, f.1r
TEXT: CLAUDIA ENGLER; BILD: BURGERBIBLIOTHEK BERN
Die Burgerbibliothek blickt auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Gegründet im Jahr 1528 als Büchersammlung für Professoren und Studenten der Hohen Schule, entwickelte sie sich im 17. Jahrhundert zu einer barocken Universalbibliothek. Diese war mehr als nur ein Ort für Bücher: Sie war Kunstkammer, Antiquarium, Naturalienkabinett, Forschungsstätte und Ziel der Schaulust – ein Ort des Staunens und der Repräsentation. Ein besonders schönes Zeugnis dieser Zeit ist ein reich bebildertes Donationenbuch von 1693, das bis ins 18. Jahrhundert zahlreiche Schenkungen an die Bibliothek dokumentiert.
Die Einheit von Bibliothek und Museum löste sich im 19. Jahrhundert auf. Während die Bibliothek die Dokumente behielt, gelangten die Objekte nach und nach an spezialisierte Institutionen wie das Historische Museum oder das Naturhistorische Museum. Die Burgerbibliothek ist seit 1951 das Archiv der Burgergemeinde Bern. Sie sammelt und macht Dokumente zugänglich, von Pergamenten des frühen Mittelalters bis zu digitalen Daten der Gegenwart.
Ein lebendiges Archiv
Die neue Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit Studierenden des Fachbereichs Kunstgeschichte und Museologie der Universitäten Bern und Neuenburg. Sie erzählt die Geschichte der Burgerbibliothek anhand ausgewählter Objekte – einige davon sind erstmals seit über 200 Jahren wieder im Haus an der Münstergasse zu sehen. Dazu gehört die Paniska, eine weibliche Satyrfigur mit Kind aus Bronze, die um 1660 bei Muri gefunden wurde. Lange galt sie als einer der bedeutendsten Antikenfunde der Schweiz, heute wird sie als Renaissanceskulptur bewertet. Auch die Raubmöve, die 1797 am Thunersee geschossen wurde und einst in der «Vögeligalerie» der Bibliothek ausgestellt war, ist wieder zu sehen. Selbstverständlich fehlt auch das für Wunderkammern typische Krokodil nicht – auch Bern hatte eines.
Zu den sogenannten Kuriositäten zählten zudem mittelalterliche Handschriften, Gemälde und Zeichnungen, die bis heute in der Burgerbibliothek erhalten sind. Sie zeugen von der früheren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Objekten und machen das Archiv auf besondere Weise lebendig.
Die Ausstellung «Von der Wunderkammer zum Archiv» ist bis zum 26. Juni 2026 in der Burgerbibliothek Bern zu sehen. Besuche sind nur im Rahmen von Führungen möglich.
Im Frühling 2026 erscheint zudem eine reich illustrierte Publikation in der Reihe Passepartout, welche die Geschichte der Wunderkammer, ihrer Sammlungen und Objekte sowie die Entwicklung der Bibliothek zum heutigen Archiv der Burgergemeinde erzählt.
Weitere Informationen: www.burgerbib.ch
