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«Im Waiseler nahm meine DJ-Karriere ihren Anfang»

Ueli-Bartley Brönnimann (68) lebte von 1963 bis 1972 als Schüler und Lehrling im Burgerlichen Waisenhaus.

22.11.2020

Nach 111 Jahren wird die Ehemaligenvereinigung des früheren burgerlichen Waisenhauses aufgelöst. Die Journalistin Barbara Spycher hat sich mit ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern der sozialen Einrichtung unterhalten. In loser Folge erscheinen hier diese Gesprächsporträts – heute: Ueli-Bartley Brönnimann.

TEXT: BARABRA SPYCHER; BILD: JONATHAN LIECHTI

Ich war sehr glücklich im Waiseler – und habe dort viel fürs Leben gelernt. Zum Beispiel von Bule, dem damaligen Abwart: Er hat mir beigebracht, dass man die Chancen, die man bekommt, packen und etwas daraus machen soll. Er unterrichtete uns im Werken und im Sport. Ich war im Sport eine absolute Niete. Als ich im 100-Meter-Lauf einmal einen schlechten Platz erreichte, beklagte ich mich bei ihm über die ungerechten Umstände. Ich habe gegen jemanden rennen müssen, gegen den ich eh keine Chance hatte. Herr Bühler – wir nannten ihn dr Bule – sagte mir: «Okay, dann lauf nochmal.» Natürlich schaffte ich auch beim zweiten Versuch keine schnellere Zeit, worauf er meinte: «Du rennst einfach zu langsam, ändere was!»

Bewusst habe ich seine Botschaft erst viel später begriffen, aber unbewusst habe ich mir diese Haltung früh zu eigen gemacht. Ich habe viel aus meinen Möglichkeiten gemacht im Leben. Als ich ins Waisenhaus kam, hatte ich sehr schlechte schulische Prognosen. Dass ich am Ende an der Wirtschaftsuniversität Wien einen Masterabschluss in Sozialmanagement sowie einen MBA gemacht habe, darauf bin ich stolz. Es wurde mir nicht geschenkt, ich musste viel Aufwand betreiben und mich durchbeissen. Im Waisenhaus wurde mir auch mitgegeben, dass man sich nicht als Einzelkämpfer durchs Leben boxen, sondern auf seine Mitmenschen achtgeben soll. Das wurde uns vorgelebt, nicht zuletzt von Pfarrer Pierre Wissler, dem Chef. Er sagte Sachen wie: «Schau doch mal, wie es dem da geht.» Oder: «Nimm Rücksicht, es sind noch andere da.» Auch dadurch, dass wir ein Zimmer teilen, beim Abtrocknen helfen oder nach dem Essen das Geschirr raustragen mussten, haben wir wie selbstverständlich geübt, Rücksicht zu nehmen, einander zu helfen und zueinander zu schauen.

Vor allem aber bot mir der Waiseler unglaublich tolle Möglichkeiten zum Experimentieren, die ich bei meiner Mutter nicht gehabt hätte. Ein Beispiel war die Musik. Die freitäglichen Wunschkonzerte im Waisenhaus legten den Grundstein zu meiner späteren DJ-Karriere. Dafür stellte mir der Chef sein privates Tonbandgerät zur Verfügung. Damit habe ich jeweils die Radiohitparade aufgenommen und am nächsten Freitag einzelne Titel abgespielt, die von meinen Gruppenmitgliedern gewünscht wurden. Monja, Marmor, Stein und Eisen bricht, Yesterday oder Satisfaction etwa waren beliebte Titel. Mit der Zeit erstand ich mir eine eigene Plattensammlung und einen Plattenspieler und konnte so manche Stücke in weit besserer Tonqualität abspielen. Via Lautsprecher wurde das Wunschkonzert in die drei Buben- und die eine Mädchenwohngruppe übertragen – jeweils am Freitagabend nach dem Duschen. Das hat unglaublichen Spass gemacht!

Irgendwann konnte ich dann mal an einer Party in einem Pfadihaus auflegen, für Klassenkollegen und andere Gäste, und so ging es immer weiter. Meine ersten richtigen Auftritte hatte ich Anfang 70er-Jahre in der Tanzschule Garbujo. 1971/1972 wurde ich sogar Schweizer-Radio-Amateur-Disc-Jockey-Meister! Seither hatte ich rund 1200 Auftritte als DJ Bartley. Ich nenne mich Discjockey-Plattenleger: weil ich immer noch mehrheitlich Vinyl auflege. Zwei Bananenkisten voll Platten nehme ich jeweils zu einem Auftritt mit. Einige Stücke habe ich auf CD, vom Laptop spiele ich nur äusserst selten etwas. Mich begeistert beim Plattenlegen, wie ich die Atmosphäre gestalten kann. Unter den Menschen, die tanzen, entstehen zirkuläre Bewegungen und Stimmungen, die lösen wiederum bei mir etwas aus, das ich mit der Wahl des nächsten Stückes zurückgeben kann. Ich bin als DJ ganz konzentriert darauf, wie ich die Stimmung aufnehmen, wiedergeben, lenken oder untermalen kann. Das ist unglaublich bereichernd!

abgelegt unter: Soziales, SORA, Burgergemeinde

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